Befragung zur Situation junger Mütter vor und nach der Geburt ihres ersten Kindes - 1991 bis 1996

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Trotz des Anwachsens der Literatur zur Frage, wie "junge Familien" den Übergang zur Elternschaft bewältigen, besteht immer noch ein grosser Mangel an gesichertem Wissen. Beispielsweise sind die statistischen Angaben, die von Bund und Kantonen über die familiären Lebenssituationen zur Verfügung gestellt werden, unvollständig. Sie gehen von einem traditionellen Familienbild aus, das die Wohngemeinschaft von zwei verheirateten Eltern unterschiedlichen Geschlechts mit einem oder mehreren Kindern, die sie selbst gezeugt haben, als Normalfall betrachtet. Dementsprechend wird nur nach ledigen, verheirateten, verwitweten und geschiedenen Personen unterschieden. Die immer grösser werdende Zahl von Konsensualpaaren (Konkubinat von nichtverheirateten Partnern) wird nicht erfasst. Deshalb ist beispielsweise unbekannt, wieviele Kinder von unverheirateten Müttern in einer Wohn- und Beziehungskonstellation aufwachsen, welche (mindestens) die Mutter und einen Mann – möglicherweise, aber nicht unbedingt den Vater – umfasst und in ihrer Stabilität einer Ehe ebenbürtig sein kann. Die Zahl der alleinerziehenden Eltern ist somit der offiziellen Statistik nicht zu entnehmen. Ebensowenig wissen wir, wie viele Eltern (meist Mütter), die verheiratet sind und für die Statistik intakte Familien darstellen, tatsächlich alleinerziehend sind, weil der andere Elternteil sich kaum oder gar nicht an den familiären Aufgaben beteiligt. Auch viele qualitative Aspekte der gegenwärtigen Familienrealität kennen wir nur bruchstückhaft oder aus Untersuchungen, die im Ausland durchgeführt wurden. Familien besitzen kein Sprachrohr, um auf ihre Anliegen und Bedürfnisse aufmerksam zu machen. Im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland etwa existiert in der Schweiz kein Familienministerium, und auch die regelmässig erscheinenden Familienberichte sind bei uns unbekannt. Politiker und Fachleute stehen immer wieder vor dem Problem, bei Planungsfragen, bei neuen Gesetzen oder bei der täglichen Durchführung von Massnahmen auf Vermutungen oder persönliche Erfahrungen angewiesen zu sein, die nicht (mehr) der gegenwärtigen Realität entsprechen. Vor allem angesichts der Geldknappheit auf allen Ebenen des Staates, steigender Arbeitslosenzahlen und einer Armut, die wesentlich verbreiteter ist, als bis vor kurzem angenommen wurde, braucht es viel Hintergrundwissen über die heutige Familienrealität, um wichtige Dienste und Angebote nicht kurzfristigen Sparmassnahmen zu opfern und dadurch hohe menschliche und finanzielle Folgekosten zu verursachen. Die Optimierung bestehender sozialer und medizinischer Dienste kostet nicht notwendigerweise mehr. Wenn einer Familie aber keine geeignete Wohnung, kein familienfreundliches soziales Umfeld mit der nötigen Infrastruktur (Einkaufs- und Transportmöglichkeiten, medizinische Versorgung u. a.) zur Verfügung steht, ist sie in ihrem Funktionieren gefährdet. Auch viele subjektive Faktoren, wie die Beziehung zwischen dem Kind und seinen Eltern, die Zufriedenheit mit der Elternrolle oder die psychische Gesundheit von Vater und Mutter spielen eine grosse Rolle, wenn es um die Beurteilung der heutigen Familiensituation geht. Ausgehend von diesen Überlegungen galt unser Hauptinteresse folgenden Forschungsfragen: - Wie stark beeinflussen verschiedene Ressourcen und Stressfaktoren die familiäre Situation (Persönlichkeitseigenschaften der Eltern, Qualität der Paarbeziehung, Eigenschaften des Kindes, Beziehungen zu Verwandten, Freunden und Bekannten, finanzielle Situation, öffentliche soziale und medizinische Angebote u. a.)? - Wie erleben die Mütter unter diesen Bedingungen die familiäre und persönliche Situation? - Welchen Bedarf an öffentlicher sozialer und medizinischer Unterstützung machen die Mütter für sich und ihre Familien geltend? - Welche Unterstützung nehmen sie tatsächlich in Anspruch, und wie zufrieden sind sie damit? - Welche Angebote stehen den Familien nicht zur Verfügung, obwohl sie erwünscht oder dringend notwendig wären? Neuere Forschungsarbeiten anderer Forschungsinstitute, die sich mit verschiedenen Aspekten dieses Themas befassten, erbrachten interessante Ergebnisse zur Wirkung informeller Unterstützung durch das soziale Netzwerk. In Übereinstimmung mit unseren Resultaten konnte die grosse Bedeutung nachgewiesen werden, welche die direkte Hilfe aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis für die junge Familie darstellt. Allerdings ist ein Teil der Familien, vor allem wenn sie sozial benachteiligt sind, trotzdem auf öffentliche Unterstützung angewiesen. Das private soziale Netz kann oder will oft keine ausreichenden und langedauernden Hilfeleistungen erbringen. Das differenzierte Vorgehen unserer Studie hat sich bewährt, weil wir dadurch beispielsweise in der Lage waren zu zeigen, dass die Verwandtschaft - und speziell die Herkunftsfamilien der Eltern - vornehmlich materielle und dienstleistende Funktionen (Kinderhüten, Hilfe im Haushalt) erfüllte, während der Freundes- und Bekanntenkreis für kinder- und mutterschaftsbezogene Ratschläge und persönliche Gespräche bevorzugt wurde. Zu weiteren wichtigen Themen unserer Studie (Inanspruchnahme öffentlicher Unterstützung in den ersten Jahren nach der Familiengründung, persönliche Bereitschaft, sich helfen zu lassen, Bedarf an weitergehenden Massnahmen und Angeboten) fanden sich in der uns zugänglichen nationalen und internationalen Forschungsliteratur keine inhaltlich-substantiellen Beiträge. Deshalb scheint es uns um so wichtiger, das gesamte inhaltliche Potential der bereits vorliegenden und laut geltendem Forschungsplan in den nächsten Monaten noch zu erhebenden Daten auszuschöpfen.

Despite the growing literature on how "young families" are coping with the transition to parenting, there is still a great lack of validated knowledge. For example, the statistical information provided by the Confederation and cantons on family life situations is incomplete. They are based on a traditional family image, which considers as normal the residential community of two married parents of different sex with one or more children of their own. Accordingly, only a distinction is made between single, married, widowed and divorced persons. The ever increasing number of consensual couples (concubinage of unmarried partners) is not covered. Therefore, for example, it is unknown how many children of unmarried mothers grow up in a housing and relationship constellation that includes (at least) the mother and a man - possibly, but not necessarily the father - and that in terms of stability can be equal to a marriage. The number of single parents is therefore not apparent from the official statistics. Nor do we know how many parents (mostly mothers) who are married and represent statistically intact families are actually single parents, because the other parent hardly or not at all participates in family responsibilities. We also know many qualitative aspects of the current family realities only fragmentarily or from studies carried out abroad. Families do not have a mouthpiece to voice their concerns and needs. In contrast to the Federal Republic of Germany, for example, there is no Ministry for Family Affairs in Switzerland, and even the regular family reports are unknown to us. Time and again politicians and professionals face the problem of having to rely on assumptions or personal experiences that are not (any more) in line with current reality when it comes to planning, new laws or the implementation of measures on a daily basis. In particular, given the shortage of money at all levels of the state, the rising unemployment and poverty that is more prevalent than previously thought, much background is needed on the reality of today's families so as not to sacrifice essential services and offers with short-term austerity measures and to consequently cause high human and financial costs. The optimization of existing social and medical services does not necessarily cost more. However, if a family does not have a suitable home, a family-friendly social environment with the necessary infrastructure (shopping and transport facilities, medical care, etc.), its functioning is at risk. Also, many subjective factors, such as the relationship between the child and his parents, satisfaction with the role of parents or the mental health of father and mother play a major role when it comes to assessing the current family situation. Based on these considerations, our main interest was in the following research questions: - How strongly do various resources and stress factors influence the family situation (personality traits of parents, quality of couple relationship, characteristics of the child, relationships with relatives, friends and acquaintances, financial situation, public social and medical services, etc.)? - How do mothers experience their family and personal situation under these conditions? - What needs do mothers have for public social and medical support for themselves and their families? - What support do they actually receive and how satisfied are they? - Which offers are not available to the families, although they are desired or urgently necessary? Recent research by other research institutes dealing with various aspects of this topic has produced interesting results on the effect of informal support through the social network. In accordance with our results, the great importance of direct help from relatives and acquaintances for the young family could be proven. However, some families, especially if they are socially disadvantaged, are still dependent on public support. The private social network is often unable or unwilling to provide adequate and long-lasting assistance. The differentiated approach of our study proved its worth, because it enabled us, for example, to show that the relatives - and especially the parents' families of origin - primarily fulfilled material and service functions (child care, domestic help), while the circle of friends and acquaintances was preferred for advice and personal discussions relating to children and maternity. No substantive contributions were found in the national and international research literature accessible to us on other important topics of our study (use of public support in the first years after founding a family, personal willingness to seek help, need for further measures and offers). It therefore seems all the more important to us to exploit the full potential of the data already available and still to be collected in the coming months according to the current research plan.

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DOI https://doi.org/None
Metadata Access https://datacatalogue.cessda.eu/oai-pmh/v0/oai?verb=GetRecord&metadataPrefix=oai_ddi25&identifier=aca4f37f2e09f7d21982a62ea21173934a8b231513228bc63c26ffb2cb85da4f
Provenance
Creator Huwiler, Kurt; Nufer, Heinrich
Publisher Service de données FORS; FORS data service; FORS Datenservice
Publication Year 1998
Rights Additional Restrictions: None; Zusätzliche Einschränkungen: Keine; Restrictions supplémentaires: Aucune; Special permission: None; Sondergenehmigung: Keine; Permission spéciale: Aucune
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Language English
Discipline Social Sciences
Spatial Coverage Switzerland; Schweiz; Suisse; Europe; Europa; Europe; Western Europe; Westeuropa; Europe occidentale