In der DDR wurden seit Beginn der 1970er Jahre zu Lehrerausbildungs- und Forschungszwecken Unterrichtsstunden auf 1-Zoll-Videobändern aufgezeichnet. Über zweihundert dieser Aufzeichnungen aus den Beständen der Ost-Berliner Humboldt-Universität, der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR (APW) sowie der Pädagogischen Hochschulen Potsdam und Dresden blieben bis heute erhalten. Die Bänder gerieten nach der Friedlichen Revolution und der Wiedervereinigung in Vergessenheit und die Abspieltechnik an den Hochschulen der DDR wurde entsorgt. Erschwerend kam hinzu, dass es in den 1970er Jahren noch keine Standards für Videotechnik gab und es somit fast ausgeschlossen schien, ein für die Abspielung geeignetes Gerät zu finden. Im Rahmen mehrerer von der DFG und der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur geförderter Projekte an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Universität Wien in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) wurde dieser Fundus an Videobändern der - wissenschaftlichen - Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dazu wurde das Material durch Digitalisierung in internetkompatible Formate überführt. Die Filme sind formal und inhaltlich, durch Schlagworte und Abstracts, erschlossen. Der historischen Unterrichtsforschung steht nach der Erschließung dieses Materials eine neue Quellengattung zur Verfügung. Besonders für die vergleichende Ost-Westforschung sind diese Unterrichtsdokumentationen wertvoll, weil vergleichbare westdeutsche Unterrichtsaufzeichnungen vorhanden sind.
Die Schulpsychologin stellt sich vor. Sie sitzt mit einem Schüler an einem Tisch in einem Besprechungsraum, ist vorinformiert über ihn und seine Familie und bespricht mit ihm eindringlich die Verhältnisse zuhause, seine Freizeitgestaltung, den Tagesablauf, das Verhältnis zum großen Bruder und sein Fußballtraining. Sie sprechen über sein Fehlverhalten im Unterricht, ob er dies bewusst macht, und über sein Verhältnis zu bestimmten Lehrerinnen. Die Psychologin fragt, was er gern liest, welche Hobbys er sonst noch hat, wie sich der Vater in das Familienleben einbringt. Zum Schluss gibt sie zu bedenken, dass schlechte schulische Leistungen zum Ausschluss aus seinem Fußballverein führen können, und macht Vorschläge, wie er seine Probleme lösen kann. Eine vergleichbare Aufzeichnung ist unter Psychologisches Gespräch mit einem Schüler (Exploration) zu finden.