Verunsicherte Männlichkeit? Der Einfluss männlicher Bedrohungsgefühle auf rechtsextreme Einstellungen bei jungen Männern. UHH MOTRA Spotlight No. 9

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Auf der Grundlage der Daten einer 2022 durchgeführten repräsentativen Befragung von n=3590 junger Menschen im Rahmen der MOTRA Studie „Junge Menschen in Deutschland“ (JuMiD) wurde die Verbreitung rechtsextremer Einstellungen bei in Deutschland lebenden 16- bis 21-Jährigen untersucht. Im Vordergrund des vorliegenden Beitrags steht die Frage, inwieweit die Ausprägung von Verunsicherungen, die junge Männer im Zuge der Veränderungen der Geschlechterverhältnisse in modernen Gesellschaften vor allem hinsichtlich ihrer Vorstellungen von Männlichkeit erleben, und damit assoziierte negative Gefühle einer Bedrohung infolge von Bedeutungsverlusten traditioneller Männlichkeitskonzepte, einen relevanten Erklärungsbeitrag zu der erhöhten Verbreitung rechtsextremer Einstellungen unter jungen Männern zu leisten vermögen, die sich in den letzten Jahren immer wieder in der Forschung haben nachweisen lassen.

Es ist festzustellen, dass rechtsextreme Einstellungen von 88,5% der Jugendlichen und Heranwachsenden in Deutschland eindeutig abgelehnt werden. Lediglich 2. 1% sind als in hohem Maße und damit „klar“ rechtsextrem eingestellt einzuordnen. Weitere 9.4 % sind „offen“ gegenüber rechtsextremem Gedankengut. Rechtsextreme Einstellungen sind bei jungen Männern (3.1 % klar rechtsextrem und 10.7 % offen für rechtsextremes Gedankengut) deutlich häufiger vorzufinden als bei jungen Frauen (0.9 % klar rechtsextrem und 8.1 % offen für rechtsextremes Gedankengut).

Speziell für die junge Männer zeigt sich weiter, dass 28.9 % von ihnen die aktuelle gesellschaftliche Situation so wahrnehmen, dass Menschen wie sie selbst zu einer sozialen Gruppe gehören, die durch Politiker, die Polizei und in die Zivilgesellschaft insgesamt sozial geringgeschätzt und insofern als Kollektiv sozial benachteiligt werden. Solche kollektiven sozialen Benachteiligungen gehen mit einer erhöhten Auftretenswahrscheinlihkeit rechtsextremer Einstellungen einher.

Ein Viertel der jungen Männer (25,5%) nehmen ferner einen gesellschaftlichen Bedeutungsverlust von Männern wahr und empfinden die Verringerung der Akzeptanz traditioneller Männlichkeitsvorstellungen in unserer Gesellschaft persönlich als bedrohlich.

Junge Männer, die sowohl eine soziale Benachteiligung wahrnehmen als auch männliche Bedrohungsgefühle im Kontext des gesellschaftlichen Wandels des Geschlechterverhältnisses  erleben, neigen in ganz besonderen Maße zu rechtsextremen Einstellungen. 16,7% von ihnen sind klar rechtsextrem eingestellt und 27.9 % sind offen für rechtsextremes Gedankengut.

Die hier vorgelegten empirischen Befunde lassen in der Summe deutliche Effekte verunsicherter Männlichkeit auf die Verbreitung rechtsextremer Einstellungen unter jungen Männern erkennen. Diese gehen über die Wirkungen sonstiger sozialer Benachteiligungen klar hinaus und verstärken diese weiter. Daraus lässt sich ableiten, dass Staat, Politik und Zivilgesellschaft im Kontext der Extremismusprävention, vor allem bei der Prävention von Rechtsextremismus, junge Männer insbesondere auch in Bezug auf deren verunsicherte Männlichkeit und ihre Schwierigkeiten im Umgang mit gesellschaftlichen Veränderungen der Geschlechterverhältnisse gezielter in den Blick nehmen sollten. Hier sollten spezielle, zielgruppenspezifische Bildungs-, Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen angeboten werden.

Title of the paper in English: _Insecure masculinity: Effects of feelings of threat towards masculinity on the prevalence of right-wing extremist attitudes among young men. _ Abstract:_

In this paper results of a survey of survey of n=3590 young people on the the prevalence of right-wing extremist attitudes among 16 to 21-year-olds living in Germany are presented. The survey was conducted in 2022 as part of the MOTRA study "Young People in Germany" (JuMiD). The analyses presented focus on the question whether threats and insecurities that young men experience in the course of their perception of changes in gender relations in modern societies can make a relevant contribution to explaining the increased prevalence of right-wing extremist attitudes among young men, which repeatedly have been found by empirical research. Results show that right-wing extremist attitudes are rejected by the majority of 16 to 21-year-olds (88.5 %). 9.4 % of them are open to right-wing extremist ideas and in addition 2.1 % hold a closed right-wing extremist world view. Right-wing extremist attitudes are significantly more common among young men (10.7 % open to right-wing extremist ideas; in addition 3.1 % have a closed right-wing extremist world view) than among young women (8.1 % of the young females are open to right-wing extremist ideas,. In addition 0.9 % of them display a closed right-wing extremist world view). This is in line with previous research Furthermore, 28.9 % of young men perceive people like them as being marginalised and socially disadvantaged by politicians, the police and the society in general. Among those young males who feel socially disadvantaged and marginalised as a group, right wing extremist attitudes are significantly more prevalent. In addition a quarter of young men (25.5 %) experience masculine feelings of group threat. They fear a loss of the importance of "real men" in today's society. They also observe declines of the societal acceptance of traditional concepts of masculinity. These developments are evaluated by them as threatening.
If young men exhibit perceptions of being socially marginalised and disadvantaged in combination with such masculine feelings of group threats against certain aspects of of masculinity that are parts of their sexual identity, they are particularly susceptible to adopting right-wing extremist attitudes. 27.9 % of them are open to right-wing extremist ideas and 16.7 % show clear cut right-wing extremist world views. These prevalence rates of ritht wing extermist attitudes among this particuals are far higher than the prevalence rates of right wing extremist attitudes among the total population of the young people of the age group under study and significantly higher than the prevalence rates among the respective subpopulation of young males. Findings indicate that state authorities and politicians should address particularly young men more specifically to prevent right-wing political radicalization processes.

Identifier
DOI https://doi.org/10.25592/uhhfdm.14723
Related Identifier IsPartOf https://doi.org/10.25592/uhhfdm.14722
Metadata Access https://www.fdr.uni-hamburg.de/oai2d?verb=GetRecord&metadataPrefix=oai_datacite&identifier=oai:fdr.uni-hamburg.de:14723
Provenance
Creator Fischer, Jannik M.K.; Farren, Diego; Brettfeld, Katrin
Publisher Universität Hamburg
Publication Year 2024
Rights Creative Commons Attribution 4.0 International; Open Access; https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/legalcode; info:eu-repo/semantics/openAccess
OpenAccess true
Representation
Language German
Resource Type Working paper; Text
Discipline Other